Die aktuelle Gesetzeslage verhindert bis anhin die Zulassung des eROCKIT in der Schweiz

Die aktuelle Gesetzeslage verhindert bis anhin die Zulassung des eROCKIT in der Schweiz

Seit drei Jahren freuen wir uns darauf, das in Berlin konzipierte eROCKIT in der Schweiz zu testen, doch genau so lange beobachten wir die Importprobleme um das eROCKIT in die Schweiz und warten heute noch auf das E-Bike. Pit Strähl, der aktuelle Importeur – wir haben in den letzten drei Jahren schon zwei andere Gesprächspartner vor ihm gehabt – wird sicherlich ein Lied davon singen können, wenn es darum geht, ein E-Bike in die Schweiz einführen zu wollen und dafür die notwendige Typengenehmigung auf Schweizer Strassen zu ersuchen und zu erhalten. Hatte man gemäss seinen Aussagen das erste eROCKIT über Appenzell noch locker über den Zoll gebracht und als Einzelzulassung einführen können, kam beim zweiten eROCKIT, das man beim Strassenverkehrsamt Aargau einführen wollte, die grosse Überraschung: „Nicht zulässig“ auf Schweizer Strassen, so hiess es. Das war erst einmal ein Schock und völlig unverständlich. Wieso geht im Kanton Aargau nicht, was in Appenzell geht? Hatten die Aargauer etwas genauer hingeschaut? „Nein“, sagt uns Pit Strähl, „bei der Einzelzulassung des ersten eROCKITs wurden keine weiteren Prüfungen verlangt, da eine Konformitätsprüfung der DEKRA von mir mitgeliefert und anerkannt wurde.“

Der Knackpunkt: § 146 VTS
Das Erteilen einer Schweizer Typengenehmigung für das eROCKIT scheitert bis anhin an der Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS) und im besonderen an dem für Motorräder zuständigen Artikel 146. Dieser fordert in Abschnitt 2: „Für den Fahrer oder die Fahrerin und für den Mitfahrer oder die Mitfahrerin sind Fussrasten oder Trittbretter erforderlich“. Das eROCKIT wird von den Ämtern aufgrund der Motorleistung in die Kategorie Motorrad eingeteilt, das eROCKIT seinerseits verfügt über Pedalen, was mit den aktuellen Gesetzen nicht vereinbar ist, weshalb keine Typengenehmigung vonseiten der Schweiz erfolgt.

ASTRA nicht so stur, wie es auf den ersten Blick scheint
Nun hätte man hinter dieser Aktion wieder einmal eine beamtentypische Kleingeisterei und Spitzfindigkeit vermuten können. Bei meiner Recherche führte ich deshalb ein ausgiebiges Gespräch mit dem Fall betrauten Sachbearbeiter Fahrzeugtechnik, Dominik Jörg vom Bundesamt für Strassen ASTRA. Dieser hatte in selbiger Logik den Importeur auf diese Problematik anno 2013 hingewiesen. Und es ist apropos sehr wohl verständlich, dass sich das Amt ans Gesetz halten muss und man von der ASTRA ja wohl nicht erwarten kann, dass es einem Importeur zuliebe Knall auf Fall die Gesetze ausser Kraft setzt oder sie ignoriert. Zum einen informierte mich der Beamte darüber, dass die VTS nur zur Anwendung komme, wenn keine EG-Typengenehmigung vorliege, liege eine EG-Typengenehmigung vor, werde diese grundsätzlich in der Schweiz anerkannt und es gäbe in der Regel keine Probleme. EG-Genehmigungen können jedoch abgelehnt werden, wenn sich herausstellt, dass die Genehmigung fälschlicherweise erteilt wurde oder das Fahrzeug nicht verkehrs- und betriebssicher ist. Zum anderen äusserte er sich zum Falle des eROCKIT: „Tatsächlich sind Tretkurbeln für Motorräder nicht vorgesehen. Hier handelt es sich um einen Sicherheitsaspekt, wie reagieren diese beim Kurvenfahren.“ Doch soweit er sich erinnern mag, fehlten beim eROCKIT auch diverse andere Prüfungen wie z.B. die Bremsenprüfung, die allein schnell einmal einige Tausend Franken kostet, weshalb es mit der Zulassung in diesem Fall nicht weiterging. Positiv überrascht war ich von der angenehm offenen und aufgeschlossenen Art, solchen Problemen zu begegnen. Dabei macht er mich darauf aufmerksam, dass die ASTRA eine Revision der VTS regelmässig überprüfe und eine nächste auf Anfang 2015 vorgesehen ist, wie auch 2012 anlässlich der neu aufgetretenen E-Bike-Problematik eine durchgeführt wurde. Eine Änderung der Verordnung ist also durchaus möglich, bedarf aber eines politischen und organisatorischen Prozesses, bei dem u.a. auch eine Vernehmlassung ins Auge gefasst werden kann. Das Gespräch hinterliess einen sehr positiven Eindruck: Bei der ASTRA schien man mir aufgeschlossen, Gesetze zu ändern und anzupassen, wenn sie denn nötig seien und sinnvoll und dabei nicht wichtige Sicherheitsaspekte mit Füssen trete und alles unter Berücksichtigung der Prozessvorschriften. Also nichts apropos sture Beamten, ganz und gar nicht.

Die Verordnung muss angepasst werden und offener konzipiert werden
Beim Durchlesen der VTS fällt eines auf: Es gibt keine Typologie „E-Bike“. Die neuen E-Bikes werden in die bestehenden Raster für Fahrräder, Motorfahrräder, Kleinmotorräder und Motorräder gesetzt. Doch genau dieses reicht beim eROCKIT nicht aus, denn das eROCKIT ist ein Zwischending, ein eigentliches „Tret-Motorrad“ oder „Super-Pedelec“, das man treten muss, aber die Motorenstärke eines Motorrades aufweist. Fahrradsattel und Treten erinnern an Mountainbike, Power und Optik an eine Enduro. Vom Fahrerverhalten erfüllt es die Eigenschaftes eines Fahrrades, von seiner Power und Geschwindigkeit die eines Motorrades. Der Gesetzesraster ist für das eROCKIT nicht mehr ausreichend und auch für Fahrzeuge wie z.B. das Segway, auf welches mich Dominik Jörg ebenfalls aufmerksam machte. Angesichts der steigenden Anzahl von E-Bikes und E-Bike-Entwicklungen, die aus dem Ausland aber auch aus dem Inland stammen, muss nicht nur über eine Schaffung einer eigenen E-Bike-Kategorie innerhalb der gesetzlichen Verordnung nachgedacht werden – pro Jahr werden aktuell rund 50’000 E-Bikes in der Schweiz verkauft, was eine eigene Kategorie mehr als rechtfertigt -, sondern auch über eine Fassung, die nicht alle sechs Monate eine Revision nötig macht. Die Schweizer Gesetzesverordnung hinkt der technologischen Entwicklung zu stark hinterher und hält auch mit dem Ausland nicht mit, was die Typengenehmigung des eROCKITs in Europa ja beweist. Das ist mein Input an die ASTRA und die zuständige Politik, bei der VTS zukunftsorientiert über die Bücher zu gehen.

Tipps für Importeure
Pit Strähl verriet mir im Gespräch, dass er verschiedene Kunden gewonnen hatte, die ein eROCKIT bei ihm kaufen wollten. Die sprangen allesamt ab, als bekannt wurde, dass es mit der Typengenehmigung haperte. Dies alles kostete ihn schon kräftig Umsatz, seine Zeit, seine Nerven und seinen administrativen Aufwand nicht mitgezählt. Pit Strähl ist seit über 12 Jahren selbständiger Unternehmer und bringt daher ausreichend Basiserfahrung für die Gründung eines neuen Geschäftes mit. Im vorliegenden Falle bezahlt er jedoch ein teures Lehrgeld, denn er stammt nicht aus der Branche und hatte bis zu seinem Entschluss, das eROCKIT in die Schweiz zu importieren, keine Erfahrung als Fahrzeugimporteur und wusste sicherlich nicht so ganz genau, wie der Hase läuft. Pit Strähl meint dazu: „Ich habe an unser Schweizer System geglaubt und immer wieder, auch von den Ämtern, zugesichert bekommen, dass das Problem nach dem Motto „werden wir schon irgendwie hinbekommen“ gelöst werden kann. Das Problem dabei ist, dass die Zeit läuft und das Start-Up nicht vom Fleck kommt. Auch das Thema einer Sonderbewilligung über ASTRA wurde aufgegriffen, doch irgendwie wollte sich niemand die Finger verbrennen und solch eine Sondergenehmigung erteilen. Seither steht alles still.“ Wer also ein Fahrzeug in die Schweiz importieren will, das nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, sei hier gewarnt, er kann echte Probleme bekommen. Um solche zu verhindern, klärt man lieber vorher ab, also bevor man das Fahrzeug am Zoll stehen hat, was für eine Typengenehmigung nötig ist, ob sie überhaupt möglich ist und wie sie erlangt werden kann. Hierzu sei auf die Homepage von der Astra verwiesen und auf die Homepage Verkehrszulassung.

Wann kommt das eROCKIT in die Schweiz?
Nachdem wir mit dem Schweizer Importeur und der ASTRA Kontakt gehabt hatten, wollten wir es auch vom Deutschen Hersteller etwas genauer wissen. Ulrike Czekay, zuständige Pressesprecherin von eROCKIT in Berlin, erklärte mir, dass sie nur mit der Schweiz das Problem der Zulassung haben. Alle anderen von ihr genannten westeuropäischen Staaten wie z.B. die Niederlande oder Österreich seien komplett unproblematisch. Nur die Schweiz mache ihrer Fussrasten-Vorschrift für Motorräder wegen eine EG-Typengenehmigung nötig, aber auch Belgien wolle eine solche haben. Aufgrund dieser Umstände beabsichtigen sie nun eine solche EG-Typengenehmigung zu erlangen und klären dazu im Vorfeld alles Notwendige mit der DEKRA ab. Kostenpunkt für sie: geschätzte CHF 20’000.00-25’000.00. Doch sie erachten dies als gerechtfertigt, denn sie erhalten einige Anfragen aus der Schweiz und sehen darin einen attraktiven Markt. Doch der Haken dabei ist, es wird sicherlich noch 12-16 Monate dauern, bis das eROCKIT endlich für die Schweiz zugelassen wird, ausser die ASTRA kommt dem zuvor und eine neue Auslegung der Vorschrift oder eine Anpassung der Verordnung macht die EG-Typengenehmigung nicht mehr nötig. Andernfalls darf man sich glücklich schätzen, wenn man im Sommer 2015 auf dem Schweizer Markt vertreten ist. Bei der Gelegenheit machte mich Frau Czekay auch auf die Tatsache aufmerksam, dass sie ab Mai ein neues Modell mit mehr Reichweite und Geschwindigkeit auf den Markt bringen werden und auch ein Damenmodell mit 45 km/h sei angedacht. Für alle, die schon länger auf das eROCKIT in der Schweiz warten, geht das Geduldsspiel weiter. Wer genug von wiehernden Amtsschimmel hat, muss politischen Einfluss nehmen und seine Meinung hörbar machen, damit man in Zukunft moderne Fahrzeuge einfacher einlösen kann, gleich von welchem Planet sie stammen mögen.

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