E-Bike-Test BH Neo 650B

Eigentlich ist es jetzt fast noch geheim, aber uns zu liebe, hat der Schweizer Importeur der spanischen Marke BH, die Zollinger Sport AG, eine Ausnahme gemacht und wir durften einen ersten Blick auf die Neuheiten der sportlichen E-Bikes 2014 werfen, darunter das neue Neo 650B.

von Rolf Fleckenstein

Mittlerweile sind aus den hässlichen Entlein von damals stolze Schwäne geworden. Die grässlichen Ungetüme aus den Anfängen der E-Bike-Branche sind verschwunden und von attraktiven elektromotorisierten Design-Gefährten abgelöst worden. Ein aktuelles Beispiel für diese positive Entwicklung ist das neue BH Easy Motion Neo 650B, ein neues Modell aus der neuen 2014er-E-Bike-Linie des spanischen Herstellers BH (Brüder Hermanos). Ich war zwar noch nie ein Fan von Hardtails, aber man kann sich sein Testobjekt ja schliesslich nicht immer aussuchen. Die Hardtails zeigen sich im holprigen Gelände der fehlenden Hinterradfederung wegen als zu unkomfortabel und nervös, das Hinterrad spickt einem rasch an den Hintern oder den eigenen Sack und das nervt. Selbst Fullys mit Hinterradfederung sind im Vergleich zu gut gefederten Motorrädern ja immer noch nicht so komfortabel, was ja am geringen Gewicht und den kleineren Federn liegt, die schneller und mit geringerem Federweg zurückschlagen. Von daher galt es, gerade im Gelände und auf Schotterwegen besonders auf ausgeprägte Bodenunebenheiten zu achten, damit man diese mit den Knien auffangen konnte.

Nichtsdestotrotz ist es auch mit dem neuen Elektro-Hardtail von BH eine echte Freude, eine kurze Tour von ca. 5-10 km durchs nahe Gelände zu unternehmen und damit die Gegend zu erkunden. Wenn auch manch einer von Beschiss redet – und damit die Zuhilfenahme eines Motors beim Biken meint – aber Spass kommt eben auch erst auf, wenn es richtig vorwärts geht. Ich bin persönlich ein Fan der 45 km/h-Unterstützung, durchs Gelände reicht aber zugegebenermassen ein 25 km/h-E-Bike und das befreit den Fahrer überdies von Helmpflicht, Rückspiegeln und allem anderen Schnickschnack, die für die grössere E-Bike-Klasse nötig ist. Man schnalzt innerlich schon mit der Zunge, wenn man dann den Hang hinauf an anderen Bikern mit Leichtigkeit davon zieht – gleich ob Rennrädern auf der Strasse oder eingefleischte Mountainbikern im Gelände -, obwohl man, wie ich beispielsweise mit meinen 85 kg, vielleicht nicht mehr der Sportlichste ist, und oben ankommt, ohne deswegen gleich völlig aus der Puste zu sein. Ohne Schweissperlen und ohne dicke Beine geht’s aber auch beim E-Biken nicht, zumindest wenn man etwas Ambitionen hat und eine sportliche Grundeinstellung, doch der Spassfaktor ist hoch und der zurückgelegte Weg einiges grösser also ohne Motor. Und man hat auch eine Reserve: Wenn auf einer längeren Tour die Müdigkeit einsetzt, dann kann man den Motor auf maximale Unterstützung stellen und dann geht es schon fast von alleine.

650B=27.5 Zoll
Auch BH hat die 27.5 Zoll-Grösse für sich entdeckt und das ist ein Gewinn. Der Sprung von 26 auf 29 Zoll ist gross und optisch nicht immer nur glücklich. Das 27.5-Mass vereint die Vorzüge beider Grössen: Toller Look, höheres Tempo, bessere Traktion und Stabilität, ohne deswegen allzu sehr bei der Wendigkeit und Agilität zu verlieren.

Der Test des BH Neo 650B
Das Beste vorweg: Der Look des neuen Neo ist einmalig. Die farblich sehr stilvolle Abstimmung und das dynamisch gebogene und sportlich wirkende Unterrohr, auf welchem der Akku befestigt ist, machen aus dem Neo eines der aktuell schönsten E-Bikes im Markt. Auch die Kabel verschwinden vorne im Rahmen und sind von aussen nicht mehr sichtbar, was für eine gediegene Optik sorgt. Das Display ist gross, übersichtlich, gut lesbar – auch ohne Brille – und leicht bedienbar, so muss ein Display sein und abnehmen kann man es auch, sodass man es in der Mittagspause ohne funktionierenden Motor zurücklässt. Eine clevere und praktische Form der Diebstahlssicherung. Aufgesessen sitzt man sehr weit vorne über dem Lenker, der etwas schmal wirkt und für etwas Unruhe sorgt. Ich würde einen etwas breiteren Lenker wählen und an der Sitzposition noch etwas feilen. Doch das Bike ist gut eingestellt, das haben die Jungs von Zollinger Sport offensichtlich drauf. Die Kette ist gut gespannt, ein Rausfallen scheint auch im Gelände kein Thema zu sein, die Bremsen „singen” nicht, kein Schleifen, keine verdächtigen Geräusche, alles picobello. Das Team hat seine Arbeit gemacht. Zur Verfügung stehen dem Fahrer 4 Unterstützungsstufen, wobei ich schon aus Gewohnheit immer eine stärkere wähle et voilà, das Bike zieht gleich ab. Beim ersten Pedaltritt schiebt der Motor kräftig los, hui da geht wirklich ‘was ab. Gleichzeitig darf ich mich durch die stolzen 30 Gänge schalten, die mir zur Verfügung stehen, auch wenn ich mich tendenziell immer zwischen dem 24. und 30. Gang bewege, da ich persönlich immer ans Limit der vollen Tretunterstützung gehe. Bei 26-28 km/h ist dann auch langsam Schluss, der Motor bremst nicht abrupt ab nach Überschreiten der 25 km/h-Limite, das ist angenehm, es gibt solche E-Bikes, und das ist unmöglich, doch das BH scheint hier sehr „menschlich” und tolerant zu reagieren, doch mit zunehmender Geschwindigkeit setzt auch hier eine leichte Bremswirkung des Motors ein. Besonders im „Sport“-Modus zeigt sich das BH sehr anstiegsfreudig, Hänge, die mit Bikes ohne Motor unüberwindbar sind, sind hier die Basis eines wunderschönen Sonntagnachmittag-Ausfluges, ja, es geht fast wie im Fluge.

Motorenaussetzer sind unangenehm
Mit 21-22 km/h steile Hänge hinauf, wenn andere mit ihren Rennern mit 10-15 km/h raufkraxeln, verleihen der Tour den unerhörten Spassfaktor. Doch das ist auch der Knackpunkt eines E-Bikes: Wenn der Motor aussetzt, sitzt man dafür umso schlimmer in der Tinte. Nach einiger Zeit stellte sich beim Testbike ein unregelmässiges Schieben des Motors ein und sogar ein teilweises Aussetzen, das gerade am Hang verheerend sein kann. Es scheint, dass sich der Akku im Rahmen leicht verschieben kann, sodass es zu Stromunterbrüchen kommt. Man muss beim BH Neo als darauf achten, dass man den Akku wieder gut reingesteckt hat und abgeschlossen, wenn man ihn zuvor zum Laden rausgenommen hat. Vielleicht sollte man bei BH auch eine sicherere Verriegelung des Akkus überdenken. Ob das ein generelles Problem ist oder nur ein Problem bei diesem Testbike lässt sich unsererseits nicht sagen. In solch einer Situation wird einem aber wieder schlagartig bewusst, dass man ein Bike hat, dass viel schwerer ist als übliche Bikes. Mit über 20 kg ist man gut 2-3 mal schwerer als ein Rennrad oder ein leichteres Fully. Deshalb tut man sich einen grossen Gefallen, wenn man auf das Display schaut und den Akkustatus überprüft. Wenn noch drei von fünf Balken der Akkuanzeige sichtbar sind, sollte man langsam vorsichtig werden, und sich überlegen, wie weit man noch fahren will, man muss ja noch zurückfahren. Und Vorsicht: Die Angaben über die Reichweite seitens der Hersteller sind hier häufig völlig übertrieben. Im Wettbewerb mit den anderen Anbietern verweisen sie immer auf die maximale Reichweite, die aber auch nur jemand schafft der, etwas überspitz formuliert, nur 20 kg wiegt, die geringste Tretunterstützung verwendet, Beine wie Fabian Cancellara hat und vielleicht noch 50 km bergab fährt. Die Bremsen stoppen kräftig und arbeiten wirkungsvoll, sobald man die Griffe nach hinten zieht. Geradeaus und bergab fährt das Bike sehr ruhig, der Stollenpneu zeigt sich laufruhig, leise und stabil. Sobald man zu Hause angekommen ist, nimmt man den Schlüssel und dreht ihn am unteren Ende des Akkus durch, damit man diesen vom Unterrohr lösen kann und an die Ladestation anhängen, die zu rauschen beginnt und ihn nach gut einer gefühlten halben bis vollen Stunde wieder aufgeladen hat und zum nächsten Ausflug einlädt.

Fazit
Alles in allem ist den Machern in Spanien mit dem Neo 650B ein ziemlich toller Wurf gelungen: Hauptstärken sind die Optik und der Preis. Optisch ist das Neo 650B ein kleines Highlight, auch in punkto Fahrkomfort und Motorenkraft überzeugt das E-Bike sehr. Mit seinen CHF 3’499.00 ist das Modell preislich sicherlich attraktiv, wenngleich dieser Preis vor allem durch die Verwendung von günstigen und mittelwertigen Komponenten zustande kommt. Wer auf der Suche nach einem modernen E-Mountainbike ist und ohne Hinterradfederung auskommen mag, findet im BH Easy Motion Neo 650B ein sehr schönes und preislich attraktives E-Bike, das mit der 27.5 Zollgrösse voll im Trend liegt. Note: Empfehlenswert. Wunsch der Redaktion: Bitte eine 45 km/h-Variante auf den Markt bringen!

Technische Daten

ModellEasy Motion Neo 650B
RahmenAluminium BH Easy Motion Neo
GabelSuntour XCR MLO, Lockout
SchaltwerkShimano Deore
Anzahl Gänge30
Motorleistungmax. 350 Watt
Tretunterstützungbis 25 km/h
AkkuSamsung 36 V, 12 Ah, 432 Wh
BremsenTektro Auriga
FelgenAlexrims FR30
ReifenSchwalbe Rapid Rob
Farbeschwarz/blau
PreisFr. 3499.00

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